Interview mit einem Biberbeauftragten des Kanton Aargau
Durch seine Eingriffe in Natur und Landschaft ist der Biber nicht immer und überall gerne gesehen. Seine Vorliebe für Zuckerrüben und Mais, welche auf unseren Feldern wachsen oder die Untergrabung von existierenden Wegen führen regelmässig zu Konflikten in Siedlungsgebieten. Aus diesem Grund gibt es die kantonalen Biberbeauftragten. Diese tragen dazu bei, die Akzeptanz des Bibers zu erhöhen und sie helfen dabei Konflikte zu entschärfen und Lösungen zu suchen. Der Kanton Aargau ist in 5 Zuständigkeitsregionen aufgeteilt (siehe die Abbildung unten). Eines davon ist das Wasser – und Zugvogelreservat Klingnauer Stausee (grau), einem eidgenössischen Schutzgebiet von internationaler Bedeutung. Der dort zuständige Biberbeauftragte ist Thomas Amsler, mit welchem ich mich am 02.06.2023 zum Thema des Bibers unterhalten durfte. Im untenstehenden Fliesstext sind mehrere Abschnitte aus dem lehrreichen Gespräch eingefügt (jeweils kursiv). Meine Diskussion und eine genauere Betrachtung der einzelnen Punkte finden sich hier auf der nächsten Seite.
Die fünf Reviere der Biberbeauftragten im Kanton Aargau. Der Plan stammt von dem Sektion Jagd und Fischerei der Aargauischen Verwaltung (Stand: 05.01.2022)
Thomas arbeitet mit einem 60% Pensum für den Kanton und kümmert sich dabei um vier Hauptaufgabengebiete:
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Jagd: „Dadurch, dass es ein eidgenössisches Schutzgebiet ist, ist das Gebiet mit einem Jagdverbot belegt. Aber nichtsdestotrotz gibt es immer jagdliche Belange. Also es gibt kranke Tiere und Neozoen, die man managen muss. Zudem Beratung der Landwirte wegen Wildschweinschäden in der Landwirtschaftsfläche, die auch zum Schutzgebiet gehört. Weiter die Bergung von Fallwild oder Nachsuchen von Tieren, die kollidiert sind mit Fahrzeugen. Und auch die Zusammenarbeit mit den Jagdgesellschaften rundherum“
Fischerei: „Im Schutzgebiet darf gefischt werden. Aber nur an definierten Orten. Ich kontrolliere, ob das eingehalten wird, ob die Fischer Patente haben, ob sie korrekt fischen und so weiter.“
Besucherlenkung: „Der Klingnauer Stausee ist ein Naherholungsgebiet per excellence. Es gibt sehr viele Leute dort unten. Aber auch für die gelten Regeln des Schutzgebiets: Leinenpflicht, Wege nicht verlassen, kein Feuer machen, kein Wassersport, keine Wildtiere füttern, etc.“
Öffentlichkeitsarbeit: „Die Zusammenarbeit mit Partnern, zum Beispiel mit Birdlife. Und wenn es Führungen gibt oder Veranstaltungen, bin ich dort dabei. Und so etwas wie hier nehme ich da auch dazu.“
Dadurch, dass der Klingnauer Stausee ein Schutzgebiet ist, gibt es in Thomas Amslers Gebiet weniger Konflikte als in anderen Regionen. Von einem aktuellen Beispiel konnte er mir jedoch erzählen:
„Es gibt dort das Naturzentrum von Birdlife. Und als das gebaut wurde, hat man auch einen Bach renaturiert, der dort durch das Areal durchfliesst. Und in dem Bach hat sich der Biber wieder angesiedelt und hat einen relativ hohen Damm gebaut (1 – 1.5 m). Deswegen staut der Bach jetzt und durch das vernässt Kilometer weiter oben die Landwirtschaftsfläche. Das ist ein Problem für den Landwirt, der diese Fläche gepachtet hat, denn er kann nicht mehr mit seinem schweren Gerät auf den Acker. Und zusätzlich gibt es in der Nähe eine Verteilzentrale von der Refuna Fernwärme mit der ganzen Elektronik drin. Und die Gefahr besteht, dass wenn er noch höher stauen würde, dass dann das Wasser dort in den Schacht reinläuft, was zu einem sehr grossen Infrastrukturschaden führen würde. Wir haben einen kleinen technischen Eingriff gemacht am Damm und mit dem haben wir vorerst die Gefahr abwenden können, was das Fluten des Schachts anbelangt. Die Vernässung von der Landwirtschaft ist weiterhin ein Problem.“
Dadurch dass sowohl der Biber, als auch seine Bauten geschützt sind, ist die Konfliktbewältigung in diesem Fall mit dem Landwirt nicht einfach. Dabei helfen können die Rahmenbedingungen, welche im "Konzept Biber Schweiz" (Bafu, 2016) und im "Massnahmenplan Biber" (Kanton Aargau) erläutert werden.
Thomas vergleicht das Konfliktpotenzial mit demjenigen, welches wir auch für den Wolf beobachten: "Jeder betroffene Schafzüchter sagt dir "Ich mache kein Wolfsfutter, ich stelle ein Nahrungsmittel her". Und das sagt der Landwirt auch, der Mais oder Zuckerrüben anbaut: "Ich mache nicht Futter für den Biber, ich stelle ein Nahrungsmittel für uns Menschen oder zumindest für meine Tiere her". Aber der Biber will auch einfach nur leben und etwas zu fressen haben.“
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Auch Infrastrukturschäden sind ein Problem in vielen Gemeinden. So beispielsweise in Untersiggenthal, wo ein Spazierweg entlang der Limmat an vielen Orten durch den Biber untergraben wurde. Der Biber sucht sich diese Stellen aus, da sie warm sind und er dort oft im Trockenen sitzt. Doch so bequem es der Biber dank unserer Wege hat, so gefährlich kann dies doch für den Menschen werden. Thomas Amsler bringt das Beispiel eines Bikers: „wenn jetzt da nachts ein Biker kommt und der Weg ist dort gerade eingebrochen und er fällt in das Loch und von dort in die Limmat, das könnte lebensgefährlich sein“. Massnahmen kosten die Gemeinden einiges an Geld, „aber was passiert mit den Kosten, wenn irgendwann ein Mensch zu Schaden kommt? Dann sind wir gleich in einer ganz anderen Dimension drin.“
Die Entwicklung der Biberpopulation im Aargau und in der Schweiz sieht er sehr optimistisch: „Nach den Aussetzungen ging es ist relativ lange, bis es etwas angezogen hat, aber in den letzten Jahren geht die Kurve steil hoch.“ Er geht so weit anzunehmen, dass in Zukunft die Biberpopulationen wieder so beständig werden, dass das Tier, wie andere Wildtiere in der Schweiz auch, wieder zu einer jagdbaren Art wird, um die Bestände zu regeln. Dass die Bestände längst nicht mehr so empfindlich sind, sieht man auch heute schon: „es ist nicht mehr so, dass man jeden Biber zwingend durchbringen muss. (…) Vor ein paar Jahren noch musste man fast jeden Biber den man gefunden hat der Verwaltung abgeben und dann wurde der zum FiWi nach Bern geschickt. Dort wurde er auf die Todesursache und auf den Genpool untersucht. Heute macht man das meist nicht mehr.“
Denn nur schon im Kanton Aargau verstarben 2022 33 Biber durch Kollisionen mit Fahrzeugen. Auch dass ein Biber in einem Wasserkraftwerk verendet, ist keine Seltenheit. Diesen Fall hatte auch schon Thomas Amsler: „Ein Jungbiber wurde in einem Kraftwerkrechen angespült und konnte nicht mehr weg. Vielleicht war das einer, der nicht fit war und darum schon verstossen wurde. Die kann man eben auch nicht in einem anderen Biber Revier aussetzen, denn wenn der nicht zur Familie gehört, kriegt er von denen auf den Deckel. Dann macht man dem ein Ende.“ Mit steigenden Populationen wird sich das Bibermanagement in Zukunft sicherlich ändern. Thomas Amsler findet es wichtig, dass man dann, eine gewisse Regulierung der Populationen in Betracht zieht: „Jagd sollte sicher nicht als erste Massnahme gewählt werden, aber auch wenn man ihn rausnimmt, kann die Akzeptanz (in der Bevölkerung) eben doch steigen. Zum Beispiel auch beim Wolf. Wenn man immer nur pro Wolf ist (Totalschutz), kann plötzlich die Akzeptanz in der Bevölkerung viel mehr kippen, als wenn man zwischendurch sagt, okay der hat es übertrieben, er muss jetzt einfach weg."
Diese Szenarien sind jedoch noch Zukunftsmusik, heute geht es darum, den Biber in der Schweiz weiter zu fördern und eine friedvolle Art des Zusammenlebens zu finden. Denn die Bereicherung, die unsere Natur durch diese Baumeister erfährt, gilt es zwingend zu erhalten. Mit passenden Worten fasst es Thomas so zusammen: „Er ist ein einheimisches Tier und gehört zu unserer Fauna. Ich denke er ist auch ein wichtiger Faktor für die Biodiversität, der der Natur viel bringt. Ein super Baumeister, der unsere Tierwelt bereichert, sowie unsere Natur und Landschaft allgemein.“